Links und rechts der Donau vor Ulm ...

Das Dorf Ersingen mit knapp 1.200 Einwohnern ist Stadtteil der "jungen Donaustadt" Erbach, 15 km vor den Toren von Ulm. Zur evangelischen Kirchengemeinde gehören die Ortschaften Oberdischingen, Öpfingen und Rißtissen. Derzeit gehören gut 1.200 Gemeindeglieder zu unserer Kirchengemeinde.

"Ulm und Oberschwaben" sind die beiden Worte, die unser Gemeindesein prägen: Verbunden mit der Ulmer Stadtgeschichte, im Besonderen der Ulmer Sammlung, kommt der Ort Ersingen zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Beziehung zur nahegelegenen Reichsstadt. Die Ortsherrschaft derer von Landau verarmt und die vermögenden "Sammlungsschwestern" beginnen Hof um Hof in Ersingen aufzukaufen. Im Jahr 1461 übernehmen sie auch die Verantwortung für die im Ort gelegene Kirche, bis dahin Kaplanei von Erbach, und beginnen mit der Neugestaltung der Kirche: 1476 wird der spätgotische Chor geweiht, das Schiff und der Turm vergrößert. Mit dem Ratsbeschluss der Stadt Ulm wird Ersingen 1534 evangelisch.

Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen (Matthäus 18, 20)

Franziskuskirche Ersingen 1476 / 1766

Die Ortschaft Ersingen, heute ein Stadtteil von Erbach, und die Menschen, die sich hier im Namen Jesu versammeln, haben wie an allen anderen Orten ihre Geschichte: Gelebter Glaube ist sichtbar, gegenwärtig.

Äußerlich sichtbares Zeichen ist die Franziskuskirche. Mitten im Ort mit einer langen Geschichte, die zumindest bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht: Im Jahr 1194 findet sich die erste schriftliche Erwähnung Ersingens und eines gottesdienstlichen Versammlungsortes in einer von Papst Cölestin III. für das Kloster Wiblingen gefertigten Urkunde.

Zu Beginn des 15. Jahrhundert, ab 1406, tritt die „Sammlung“ in Ulm, eine aus der „Beginen-Bewegung“ des 13. Jahrhunderts entstandene Lebensgemeinschaft Ulmer Bürgerinnen, die sich zur Lehre des hl. Franziskus von Assisi bekennt, in der Ersinger Orts- und Kirchengeschichte in Erscheinung: Ortsherr Konrad von Landau verkauft seinen Besitz an die „Sammlung“. In den folgenden Jahrzehnten erwerben die Sammlungsschwestern insgesamt 14 Höfe und 30 kleinere Anwesen, die damit verbundenen Herrschaftsrechte sowie die niedere Gerichtsbarkeit in Ersingen – schließlich, im Jahr 1461, das Patronat über die damalige Marienkapelle in Ersingen, die bis zu diesem Zeitpunkt Kaplanei von St. Martinus in Erbach war. Als Zeichen der erlangten Herrschaft wird die Kirche erweitert und in äußerer Gestalt und Ausstattung erneuert: 1476 ist der spätgotische Chor fertig gestellt, spätestens dann erfolgt der Wechsel des Patroziniums: Die Kirche in Ersingen wird zur Franziskuskirche. Das Secco (Trockenputzgemälde) im Chor mit der Darstellung der Stigmatisation des hl. Franziskus ist sichtbarer Ausdruck dafür.

Die Reformationsgeschichte Ulms hat durch die Verbindung zur „Sammlung“ unmittelbare Auswirkungen auf die Ortskirchengeschichte Ersingens: 1535 zieht der erste evangelische Pfarrer auf und vermutlich noch vor 1539 gelangen die kunst-geschichtlich bedeutenden Altäre aus den Ulmer Werkstätten von Jakob Acker und Niklaus Weckmann in die Franziskuskirche. Bis heute prägen das Chorretabel mit der Muttergottes im Zentrum und die beiden Seitenaltäre mit dem Konstanzer Bistumsheiligen St. Konrad und einer Darstellung der Verkündigungsszene an Maria den Kirchenraum.

Im Jahr 1704 werden Ort und Kirche im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges durch marodierende Soldaten schwer in Mitleidenschaft gezogen: 71 von 81 Gebäude gehen in Flammen auf, auch die Kirche nimmt großen Schaden. Es dauert mehr als sechzig Jahre, bis die Schäden beseitigt sind und die Franziskuskirche ein größeres Schiff sowie die markante barocke Innen- und Außengestaltung erhält: 1766 wird sie in ihrem bis heute im Wesentlichen unveränderten Erscheinungsbild fertig gestellt. Mit der Aufhebung der Ulmer Sammlung während der Säkularisation geht die Franziskuskirche 1809 in den Besitz der Ortskirchengemeinde über.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein bleibt Ersingen ein evangelisch geprägter Ort. Erst mit den Flüchtlingsbewegungen nach 1945 und verstärkt ab Mitte der 1960er Jahre ändert sich dieses Erscheinungsbild. Die Zahl der Dorfbewohner wächst spürbar an: Von 431 Einwohnern im Jahr 1946 über 668 Einwohner 1969 bis auf ca. 1170 Einwohner im Jahr 2008, damit verbunden auch der katholische Anteil an der Ortsbevölkerung. Momentan gehören etwa 530 Menschen der evangelischen und etwa 340 Menschen der katholischen Kirche an. Letztere zählen seit 1988 zur St. Kosmas-und-Damian-Kirchen-gemeinde Dellmensingen. Ein besonderes Kennzeichen dieser Entwicklung und getragen von einem seit Jahrzehnten gewachsenen Miteinander in ökumenischer Verbundenheit ist die gemeinsame Nutzung der Franziskuskirche: Unter einem Dach versammeln sich Menschen beider Konfessionen, um im gottesdienstlichen Feiern oder in privater Andacht dem einen Gott zu begegnen.

Seit 1997 liegt Ersingen auch am Oberschwäbischen Jakobusweg, der hier die Donau überquert und in der spätgotischen Darstellung des Apostels Jakobus d. Ä. im Altarretabel ein besonders schönes Zeugnis mittelalterlicher Kunstfertigkeit und Frömmigkeit aufweist. Die Franziskuskirche ist damit neben einem Ort der Begegnung der Menschen in Ersingen im Angesicht Gottes zu einer geistlichen Station auf dem Weg nach Santiago de Compostella, eine Wegkreuzung des auf unterschiedliche Weise wandernden Gottesvolkes.